top of page
  • AutorenbildNadine

Jede Schwangerschaft lässt in der Partnerschaft eine neue Welt entstehen


„Denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander - und es entstehen neue Welten. Heute weiß ich - das ist das Leben!“ (Charlie Chaplin anlässlich seines 70. Geburtstags)


Kennt ihr das, liebe werdende Eltern? Jede Schwangerschaft, ob ihr sie geplant habt oder nicht, ob es eure erste ist, die erste gemeinsame oder ob ihr bereits mehrere Schwangerschaften erlebt habt - jede Schwangerschaft verändert euch und eure Partnerschaft massiv. Diese Erfahrung teilen wir alle, ihr seid nicht alleine mit diesem Gefühl, dass alles anders ist. Alle Paare, die Eltern werden, erleben genau das - täglich und grundsätzlich und immer wieder neu - Veränderung.


Warum ist das eigentlich so?


In der werdenden Mama geschieht eine ungeheure Vielzahl von Veränderungen gleichzeitig. In ihrem Körper stellen sich ganz wesentliche Prozesse um und neu ein auf das kleine Wesen, das da in ihrem Bauch heran wächst. Ihr Körper vollbringt ein richtiges Wunder an Umbauprozessen, er öffnet sich, schafft Raum, nährt und versorgt. In deinem Körper, liebe werdende Mama, erfährt euer Baby seinen ersten Zuhauseraum, den es bewohnen darf, in dem es behütet, geborgen und beschützt ist. Auch das Bewusstsein erfährt eine massive Wandlung - auch das Bewusstsein öffnet sich, nimmt die neue Energie der kleinen Seele in sich auf, gibt ihr den Raum. Diese neue kleine Seele verändert etwas in deinem Erleben. Vielleicht sind es sogar mehrere Energien, mit denen du dein körperliches Zuhause teilst, wenn du eine Mehrlingsschwangerschaft erlebst. Es wird durchlässiger, feiner und klarer, wie ein See, in dem du auf einmal bis auf den Grund schauen kannst. Themen, die bisher im Bodensatz dieses Sees verborgen waren, steigen auf einmal an seine Oberfläche und werden spürbar, erlebbar, bewusster. Vielleicht fühlst du auf einmal deine Gefühle viel intensiver, unmittelbarer als früher. Wir erleben uns sensibler, feiner in allem, verletzlicher, vielleicht sogar „quietschiger“ im Erleben mit uns selbst. Vielleicht fühlt sich alles in dir plötzlich so ganz anders an und deine Reaktionen sind so unmittelbar und überwältigend, dass du ganz unsicher bist, wie du damit umgehen kannst, liebe werdende Mama. Du erlebst diese großen Veränderungsprozesse intensiv - denn es findet ja in dir statt, in deinem Körper, in deinem Bewusstsein. Besonders in der ersten sensiblen Phase der Schwangerschaft sind die Veränderungen enorm - und doch ist von außen noch kaum etwas zu sehen, weder dein Körper noch dein Bewusstsein zeigt für die Augen sichtbare Veränderungen. Innerlich geschieht so viel, ist so viel im Wandel. Du spürst: Da passiert etwas ganz, ganz Großes.


Gleichzeitig fühlt sich der werdende Papa in seinem Leben erst einmal unverändert. Sein Körper verändert sich nicht - er erfährt weder eine komplette hormonelle Umstellung noch beherbergt er eine oder mehrere neue Energien in sich, und sein Bewusstsein erfährt keinen natürlichen Öffnungsprozess und spült nicht unzählige Themen aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche. In seinem Leben, seinem Alltag und vor allem in seinem Fühlen bleibt erst einmal alles so, wie es war - es bleibt beim Alten. Während in seiner Frau dieses Alte buchstäblich in Luft aufgelöst zu sein scheint und das Neue noch so neu und zart ist, dass es weder greifbar noch kommunizierbar ist.


So geschieht es sehr häufig, dass beide sich unverstanden, ungesehen und allein gelassen fühlen. Die Frau ist damit beschäftigt, all das Riesengroße, Neue und noch ganz Unbekannte in ihr zu fühlen. Sie versucht, es einzuordnen, zu greifen, zu verstehen. Es ist wie eine neue Welt, in die sie ganz plötzlich hineingesetzt ist und die sie noch nicht kennt. Und der Mann, der sieht, dass seine Frau ganz anders ist als sonst, vielleicht gar keine Lust mehr auf das hat, was sonst gerne gemeinsam unternommen wurde. Gespräche verlaufen anders, die Bedürfnisse sind anders, alles ist anders - obwohl ja äußerlich noch gar nichts verändert ist. Es ist, als prallten hier plötzlich Welten aufeinander. Das komplett veränderte Empfinden und Erleben der Frau, das sie selbst noch nicht versteht - und das Erleben des Mannes, in dem sich keine solchen Veränderungsprozesse vollziehen und der sich vielleicht allein gelassen fühlt, abgehängt, nicht mitgenommen.


Diese Prozesse begleiten jede Schwangerschaft, auch das Gefühl des „Abstands“ zwischen zwei Welten ist „normal“. Ganz viele Schwangerschaften beginnen so - im gefühlten Aufeinanderprallen von Welten. Ganz oft sind wir als Paare in dieser Zeit mit all den Veränderungen überfordert. Wir wissen nicht, wie wir damit umgehen können, dass wir uns beide plötzlich nicht mehr gesehen fühlen, wir sind traurig, gefrustet und müde, wir verstehen die Perspektive und Sichtweise des anderen nicht mehr und die Gefühlswege zu einander werden länger. Die inneren Kinder von Mann und Frau werden in dieser Zeit aktiv fühlbar. Das innere Kind des Mannes, das sich nicht gesehen fühlt, allein zurück gelassen oder aufs Abstellgleis gestellt und abgelehnt. Das innere Kind der Frau, das sich ebenfalls nicht gesehen und unverstanden fühlt, alleine gelassen mit all diesen unsicheren Dingen, die da in ihr und mit ihr geschehen. Ganz oft wird darüber nicht gesprochen. Bleibt all das in jedem von euch unbewusst, ignoriert, weggedrängt oder abgelenkt. Oft gibt es noch keine „neue Sprache“ für all diese Gefühle.


Ich möchte euch einladen, euch zwischen den Welten zu begegnen. Auf eine neue Art, in einem neuen Auf-einander-zuspüren und in ein neues Verstehen hinein.

Das Zitat von Charlie Chaplin, das ich oben für dich abgebildet habe, gibt uns dazu einen so wertvollen Hinweis: Unsere Konflikte sind kostbar. Wenn wir uns an einander reiben, entsteht Neues. Wenn wir auf einander knallen, können wir es als das Geschenk sehen, das es ist - ein Geschenk des Lebens, das uns weiter zu einander, weiter ins Leben hinein, weiter auf unserem Weg, unseren Wegen katapultiert. Wir dürfen diese Energien begrüßen, in uns spüren mit allem, was sie in uns auslösen - wir dürfen auf ihnen surfen und gemeinsam zu neuen Ufern aufbrechen. Hand in Hand können wir unsere Konflikte bereisen - und neue Welten entstehen lassen.


Meine Impulse für euch in dieser so besonderen Zeit der Schwangerschaft:

Übung 1: Nehmt bewusst wahr, was im anderen ist

Ihr dürft euch diese Prozesse bewusst machen, sie bewusst erleben und darüber sprechen.

Spürt für einen Augenblick da hinein. Als aller erstes, nimm wahr, was in dir geschieht. Und dann spüre einmal hinein, wie es dem/der anderen geht. Dazu habe ich diese erste kleine Übung für euch, die ihr am besten immer wieder einmal machen könnt - gerne jeder für sich.

Nimm dir zwei Stühle und stell sie einander gegenüber. Ein Stuhl repräsentiert deinen Partner beziehungsweise deine Partnerin, einer dich selbst. Setz dich zunächst bewusst auf deinen eigenen Stuhl. Fühle deine Füße auf dem Boden, nimm wahr wie du auf dem Stuhl sitzt, komm in dir an und atme drei, vier tiefe Atemzüge bewusst in dich hinein. Spüre, was in dir ist. Sage, wenn du magst, mit deiner inneren Stimme: „Alles in mir darf jetzt da sein.“ Und nimm wahr, was sich in dir zeigt. Dann stehe auf und tritt bewusst aus deiner Welt hinaus, setz dich auf den Stuhl deines Partners/deiner Partnerin und fühle dich ganz bewusst, neugierig und liebevoll forschend in seine/ihre Welt hinein. Wie geht es deinem Partner? Wie geht es deiner Partnerin? Du musst dir gar nichts dazu erdenken. Du kannst dich einfach in die andere Welt hineinsetzen und sie in dir erspüren. Tritt danach ganz bewusst aus diesem Energiefeld wieder hinaus, atme aus, lass los und schüttel dich gerne auch einmal richtig aus.


Übung 2: Begegnet euch

Nach dieser Übung nehmt euch den Raum, euch einmal auf eine ganz andere Art zu begegnen. Und zwar ganz gleich, was in der letzten Zeit zwischen euch gesprochen wurde, jenseits aller Situationen, in denen ihr euch vielleicht nicht gesehen, verstanden, geliebt gefühlt habt. Nehmt diese Gefühle und schaut, ob es möglich ist, sie für einen Moment in einem behüteten Raum in euch zu „parken“. In einem Raum, in dem sie sicher und liebevoll gehalten werden, bis es Zeit ist, sie bewusst zunächst in euch und dann zwischen euch zu bewegen. Schaut einmal, ob es möglich sein kann, dass ihr euch jetzt hier mit einem herzoffenem Blick begegnet. Setzt euch einander gegenüber auf die beiden Stühle. Der Mann auf den seinen, die Frau auf den ihren. Schließt die Augen und fühlt jeder in sich hinein. Verbindet euch mit eurem Inneren. Dann öffnet die Augen und schaut euch an. Sprecht nicht. Schaut euch ein paar Minuten einfach an. Begegnet euch ganz bedingungslos. Verbindet euch wortlos und über das Gefühl mit einander. Haltet das ein paar Minuten. Vielleicht mögt ihr euch auch vorstellen, ihr blickt durch die Brille des Mitgefühls aufeinander. Und geht dann wortlos auseinander, so dass jeder das im Blickkontakt geteilte Gefühl in sich ausklingen und nachwirken lassen kann. Diese Begegnungen kann einen neuen Raum zwischen euch öffnen. Eine neue Verbindung entstehen lassen. Eine Brücke bauen zwischen den beiden Welten.


Und dann: Schenkt euch Gespräche

Danach, wenn ihr diese neue Art der Verbindung über das Gefühl gespürt habt, dürft ihr euch immer wieder Gespräche schenken, in der einer bewusst zuhört, während der andere spricht. Du erzählst, wie es dir geht. Du, liebe werdende Mama, kannst zum Beispiel erzählen, wie müde du dich fühlst. Dass du dich doch eigentlich jetzt noch/jetzt wieder fit fühlen solltest. Dass das aber nicht so ist und dass du manchmal einfach nur weinen möchtest, weil du so viel Erschöpfung spürst. Oder du erzählst, dass sich alles so unglaublich toll anfühlt, dass es ganz unglaublich schön ist, euer Baby im Bauch zu fühlen. Dass du Liebe und Freude und Verbundenheit und Dankbarkeit und so viel Möglichkeit in dir fühlst, dass du schon gar nicht mehr weißt wohin damit. Erzähle, wie es dir gerade jetzt geht. In diesem Augenblick. Lass deinen Mann teilhaben an dem, was in dir, in deiner Welt stattfindet. Nimm ihn mit in deine Welt, vielleicht sogar in die deines Babys und dir. Damit er wieder Teil einen neuen gemeinsamen Welt sein kann, die ihr beide gemeinsam erschaffen, erkunden und bereisen dürft. Eine Welt, in der es einen neuen kleinen Menschen mehr gibt.

Und du, lieber werdender Papa, darfst teilen, wie es dir ergeht. Wie es in dir aussieht. Was du in dir wahrnimmst. Vielleicht sagst du, wie merkwürdig es für dich ist, dass du das alles gar nicht körperlich fühlst und gar nicht weißt, wie es sich anfühlt. Vielleicht magst du teilen, dass du euer Baby noch gar nicht wahrnimmst, außer dass eventuell der Bauch sichtbar wächst. Vielleicht beschreibst du, dass sich in deiner Welt eben nicht alles verändert hat - du arbeitest, triffst deine Freunde, gehst zum Sport oder ähnliches – eben wie immer. Vielleicht fühlst du dich auch allein gelassen und wünschst dir, dass deine Partnerin dich wieder mehr sieht und dass ihr das Leben lebt wie vorher, dass ihr zum Beispiel Essen geht, Freunde besucht, miteinander schlaft und euer Leben lebt wie immer.


Werdet nicht müde, miteinander zu sprechen. Teilt euch mit, wie es in euch aussieht. Ladet euch immer wieder ein, gemeinsam Brücken zu bauen, die euch Verständnis und Mitgefühl schenken können und euch ermöglichen, eure Partnerschaft auch in der neuen gemeinsamen Welt auf eine gute Basis zu stellen.

29 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page